Freitag, 19. Februar 2010

Aisheen [Still Alive in Gaza]

© Solaris/ Regie: Nicolas Wadimoff
Wie der Name schon sagt, geht es um Gaza. Der Dokumentarfilm zeigt die Bewohner Gazas, insbesondere Kinder, nach den Bombardements Anfang 2009. Ohne Kommentar, ohne Interview, beobachtet die Kamera zurückhaltend, was im Krisengebiet vor sich geht.

Was mich am meisten überrascht, ist der fehlende Hass. Im Gespräch mit palästinensischen Kids aus dem Wedding und Moabit bin ich immer wieder auf tief sitzende Aggressionen gestoßen, die sich in Äußerungen wie „Isch setz mich doch nisch mit nem scheiß Juden in einen Raum“ manifestieren. Die Kinder, die ich nun im Film sehe, sprechen ruhig und überlegt. Sie beschreiben, dass sie gerne Ärzte und Ingenieure werden würden, dass die Juden aber daran schuld seien, dass sie jetzt nicht zur Schule gehen könnten und ihnen nur der Weg eines Märtyrers offen stünde. Dabei sind sie aber nicht emotional, nicht aufbrausend, sondern erschreckend nüchtern und überlegt.

Was mich außerdem überrascht ist die Hoffnung. Alle Personen, die uns der Regisseur in dem Film präsentiert, beschäftigen sich mit dem Wiederaufbau – ihres eigenen Lebens, eines Hauses, eines Vergnügungsparks und sogar eines Zoos. Die Menschen schauen nach vorne und nicht zurück. Inmitten ihrer Ruinen stehen sie, weigern sich in die Zeltdörfer der UN zu ziehen, sondern richten sich lieber in ihren zerbombten Häusern ein.

Bei der ausführlichen Q&A wird der Regisseur gefragt, ob er bewusst eine Gegendarstellung zu einem Bild der Palästinenser als Volk von Terroristen geschaffen hätte. Der Filmemacher ist überrascht. Wie man denn darauf käme, dass alle Palästinenser Terroristen seien?! Er habe einfach einen Film über ganz normale Menschen gemacht, sagt er. Wie genau er das angestellt hat, nach Gaza hineinzukommen und dort zu drehen, will er lieber nicht verraten. Es scheint nicht ganz einfach gewesen zu sein. Aber er ergeht sich nicht in Negativbeschreibungen, sondern ist – wie auch sein Film – objektiv. Es geht ihm nicht um die Viktimisierung der Kriegsopfer, er zeigt keine weinenden Kinder, schreienden Mütter, einstürzende Häuser… Aber er klammert sie auch nicht aus: wir sehen Narben, Ruinen, Krankenhäuser und Hilfskonvois.
Der Regisseur will den Film bei einem israelischen Filmfestival zeigen. Das Publikum applaudiert und ist begeistert von diesem mutigen Vorhaben. Und ich gehe aus dem Kino und frage mich, wie man es schaffen kann, den Weddinger und Moabiter Kids ein bisschen von dem Optimismus und der friedlichen Stimmung dieses Films zu vermitteln.

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