Samstag, 20. Februar 2010

Friedensschlag

© Piffl Medien/ Regie: Gerardo Milsztein
Das Kino war für einen Freitagnachmittag erstaunlich leer, was auf einen ziemlich schlechten Film hindeutete. Von daher war ich unterm Strich am Ende positiv überrascht – wenn auch jenseits von „begeistert“.

Die Doku über ein Programm für jugendliche Straftäter in Süddeutschland war thematisch ausgezeichnet, filmisch eher mangelhaft. Mir war das alles ein wenig zu amerikanisch, zu inszeniert. Dramatische Musik versuchte bei mir Emotionen zu wecken, die der Film meiner Meinung nach durch seine Bilder hätte erzeugen sollen. Manche Szenen wirkten für mich gestellt – warum sollte ein Junge ausgerechnet dann zu Hause am Schreibtisch sitzen, wenn der Kameramann gerade zu Besuch ist?! Gerardo, der Regisseur, beteuert, es sei alles echt. Der eben erwähnte junge Mann sitzt bestimmt auch „in echt“ am Schreibtisch, ab und an mal, aber diese konkrete Szene war 100%ig inszeniert (um nicht zu sagen „gestellt“). Die Aufnahmen innerhalb des Projektes „Work & Box“ waren überzeugender, doch konzentrierte sich der Film so stark auf deren Arbeit, dass „Friedensschlag“ fast wie ein Werbefilm wirkt.

Bewundernswert war in jedem Fall, dass der Regisseur es geschafft hat, seinen Protagonisten sehr nah dran sein. Gerardo wirkt aber auch wie so ein Kumpeltyp, jemand der selber mal auf der Straße abgehangen hat und „dieselbe Sprache“ (nämlich schlechtes Deutsch) spricht wie die Jugendlichen. Auch seine klassische Sozpäd-Einstellung – er gibt das Interview aus den ersten Sitzreihen statt von der Bühne, um mit uns auf einer Stufe zu stehen – weckt bei mir den Eindruck, dass er sich nicht zum ersten Mal mit einem solchen Thema beschäftigt. Oder er hat eine Fortbildung mit dem Thema „Doku-Filme über frustrierte Jugendliche ohne Perspektive“ gemacht.

Natürlich bin ich an einigen Stellen von dem was ich sehe gerührt. Aber anders irgendwie als z.B. bei Asheen, der sehr nüchtern war und dadurch irgendwie „echter“ wirkte… falls diese Kategorie in der Bewertung eines Dokumentarfilms überhaupt Sinn macht. Mein Eindruck wird unterstützt durch die Nachfrage eines Halbstarken im Publikum, ob denn alle Szenen real wären und nichts gestellt. Das Publikum schmunzelt. Dabei ist die Frage in diesem Fall sehr berechtigt und der durchschnittliche, intellektuelle Berlinale-Zuschauer hätte sich sicher nicht getraut, sie zu stellen.

Das Projekt „Work & Box“ hat mir gut gefallen, aber mir wird ein weiteres Mal klar, welcher Aufwand betrieben werden muss, um eine Hand voll krimineller Jugendliche zu resozialisieren. Eigentlich ist das viel zu aufwendig! Wir haben viel zu wenige und viel zu schlecht bezahlte Sozpäds, um auf diese Art und Weise Intervention zu betreiben.

Das Entscheidende ist aber, dass „Work & Box“ es schafft, einem Großteil seiner Schützlinge einen Ausbildungsplatz zu vermitteln. Gerardo sagt, der Film solle Jugendlichen zeigen, dass sie etwas an ihrer Situation ändern können! Er soll sie ermutigen, Veränderung anzustreben und Hilfe anzunehmen.
Doch ich frage mich, welcher Jugendliche ohne Perspektive einen solchen Film überhaupt zu sehen bekommt, mal abgesehen von dem aufmerksamen Halbstarken in der 5. Reihe, der aber offensichtlich auf Grund persönlicher Kontakte mit den Protagonisten des Films hier anwesend ist. Wahrscheinlich wird „Friedensschlag“ eher vor einem Publikum (pseudo)intellektueller Filmliebhaber zur Aufführung kommen, die naserümpfend darin nichts anderes sehen als eine anspruchsvolle Version von „Teenager außer Kontrolle“.

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