Samstag, 12. Februar 2011

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© Stadtkino/ Regie: Johannes Hammel
„Same procedure as every year, James!“
Ein Menschenauflauf im Vorraum des Delphi. Ungünstiger Weise werden die Gäste aus dem Kaffee durch einen viel zu schmalen Durchgang am Damenklo vorbei in den Vorraum des Kinos geleitet. Es entsteht ein Chaos, weil noch immer große Mengen an den Veranstaltungsort stürmen, eine kleine Gruppe Damen aber in die entgegensetzte Richtung läuft, um sich zu erleichtern. Unmut wird laut. Es wird geschubst. Keiner ist verantwortlich. Die Klofrau schiebt die Verantwortung zum Kinobesitzer. Der behauptet, die Festivalleitung sei schuld – das Kino sei dem großen Ansturm nicht gewachsen. Woran erinnert uns das? Genau. An viel Parade mit wenig Liebe.

Als meine Mutter im Getümmel untertaucht, um uns einen Platz zu sichern, muss ich an das Lied denken, das sie mir früher immer vorgesungen hat. Das Lied in dem Bolle seinen Jüngsten mitten im „Jewühl“ verliert. Ich bin heidenfroh als ich sie wohlbehalten im Kinosaal wiederfinde.

Aber nun zum Film: Pius lebt mit seinen Eltern in bester Wohnlage. Idyllisch im Wohlfühldreieck zwischen Umladebahnhof, Containerhafen und 6-spuriger Autobahn. Seine depressive Mutter wird aus mir nicht ganz ersichtlichen Gründen von verschiedenen Schauspielerinnen gemimt, was nicht unbedingt zu meinem Verständnis dieses Werkes beiträgt. Der Vater hat seine eigenen kleinen Dämonen, die er ausagiert, in dem er den Putz von den Wänden kratzt oder den Tannenbaum mit Paketklebeband in ein praktisches Päckchen schnürt. Aber Pius größtes Problem ist sein sadistischer Religionslehrer, der in einem Satz Jesu Güte preisen und seine Schüler erniedrigen kann. 

Der Film hat eine eigenartige Atmosphäre. Hauptsächlich wurde in schwarz-weißen Cinemascope Bildern gedreht, was ich toll finde, weil ich es mag, wenn ich mir selbst aussuchen darf, wo ich hinschaue. Diese tendenziell chronologisch erzählten Sequenzen werden immer wieder durch Super 8 Aufnahmen aus der Kindheit des Regisseurs unterbrochen. Es handelt sich hierbei, wie er später erklärt, um Träume der depressiven Mutter von einem besseren Leben. 

Mal wieder geht es zwar um die Betrachtung eines Problems, aber ohne dazu eine Sozialstudie zu betreiben. Johannes Hammel, der Filmemacher, erklärt, die Frau sei sich selbst über ihre Krankheit nicht im Klaren und deswegen seien wir als Publikum das ebenfalls nicht. Ich muss sagen, wenn Unklarheit im Publikum das Ziel war, dann hat Herr Hammel einen ausgezeichneten Film gemacht. In seiner unsicheren Sprache und seinem hutzelhaften Auftreten erkenne ich den fragmentarischen Charakter des Filmes wieder. 

Fazit: Anstrengend, aber irgendwie auch anrührend. Als die Protagonistin ihren Ehemann fragt, ob er sie liebe und er entgegnet „Darüber muss ich erst mal nachdenken“ muss ich schlucken. Ihre Isolation und Einsamkeit kommen mir unangenehm bekannt vor. Letztendlich, trotz aller verwirrenden Elemente, hat Johannes Hammel hier einen authentischen Film gemacht. Finde ich.
Aber vielleicht hab ich ihn auch nur nicht richtig verstanden.




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