Montag, 25. Juni 2012

Back to the Roots

Sophie's Berlinale wird wieder das sein, was es war: Ein Festival Blog, auf dem Kritiken zu Filmen der Berlinale zu lesen sind.

Aber das ist natürlich nicht das Ende meiner Tätigkeit als Kritikerin, sondern erst der Anfang. Denn nun habe ich mit www.filmosophie.com endlich einen Blog, bei dem der Name auch zum Inhalt passt. Hier findet Ihr ab jetzt alle Filmkritiken, die ich jenseits meines Berliner Festivallebens verfasse, sowie gelegentlich neue Trailer und Wissenswertes aus der Filmwelt. Gemeinsam mit weiteren Autoren werde ich außerdem neben "normalen" Kritiken auch ein paar Kolumnen zu filmverwandten Themen verfassen. Ein Blick auf meine neue Seite lohnt sich also!


Bis bald auf www.filmosophie.com !!

Mittwoch, 20. Juni 2012

Lady Vegas


© Wild Bunch/Regie: Stephen Frears
Bei Filmen über amerikanische Sportarten wie zum Beispiel Moneyball hängt das Verständnis der Handlung eng mit dem Verständnis der Sportart zusammen. Bei Lady Vegas (Originaltitel Lay the Favorite) verhält es sich ähnlich: Nur wer eine rudimentäre Ahnung von Sportwetten hat, könnte bei diesem Film von Stephen Frears (High Fidelity) mitfiebern. Vielleicht.

Beth (Rebecca Hall) hat das Strippen satt und will stattdessen als Cocktail-Kellnerin in den Casinos von Las Vegas arbeiten. Doch dieser immense Karrieresprung gelingt ihr nicht. Stattdessen erlangt sie über Kontakte einen Job bei dem Berufsspieler Dink (Bruce Willis). Wie sich herausstellt, hat die naiv wirkende Beth durchaus eine Begabung für Zahlen und – im Gegensatz zu mir – auch ein Verständnis für das Sportwettenbusiness. Es könnte alles so schön sein, doch Dinks Frau Tulip (Catherine Zeta-Jones) hat natürlich etwas gegen die blutjunge Konkurrentin und zwingt ihren Ehemann, Beth zu entlassen. Die lässt sich aber nicht unterkriegen und will bei der Konkurrenz in New York durchstarten. Schade nur, dass das Glücksspiel in diesem Staat iilegal ist...

Es fällt schwer, einen kurzen Inhaltsabriss von Lady Vegas zu schreiben, denn die Storyline ist Drehbuchautor D.V. DeVincentis nicht sonderlich gut gelungen. Es fehlt der rote Faden, eine klare Agenda der Protagonistin abseits von „ich will mal etwas anderes machen als mich auszuziehen“.  Erst in den letzten zwanzig Minuten kommt so etwas wie Spannung auf, aber auch an dieser Stelle krankt der Film daran, dass nicht jedermann das Wettgeschehen und somit die Brisanz der Situation durchblickt.

Ein Grund dafür, dass es Lady Vegas an keinem Punkt gelingt, sein Publikum mitzureißen, ist die Hauptfigur Beth, die einem vom ersten Moment an ziemlich auf die Nerven geht. Auch wenn die Geschichte im späteren Verlauf behauptet, Beth habe irgendetwas anderes als Hohlraum in ihrem hübschen Köpfchen, erscheint sie von Anfang bis Ende nicht nur naiv, sondern vor allem intellektuell reduziert. Wenn sie mit großen Augen Geldscheine zählt und dabei ausschaut wie ein Kleinkind im Spielzeugparadies, können wir es Tulip nicht verübeln, dass sie genervt mit den Augen rollt. Mir persönlich wäre es auch lieber gewesen, wenn Beths Dialoge etwas kürzer gewesen wären, denn die Quietschestimme, die Rebecca Hall hier an den Tag legt, macht den sowieso schon eher anstrengenden Film nicht angenehmer. Ohne Sympathie für die Hauptfigur aber, deren Schicksal die Handlung bestimmt, muss das Geschehen für den Zuschauer uninteressant bleiben.

Es gibt jedoch auch Highlights in Lady Vegas, namentlich Nebendarsteller Catherine Zeta-Jones und Vince Vaughn, der Dinks Konkurrenten Rosie mimt. Beide spielen zwar überzeichnete Charaktere, legen hierin aber so viel komödiantisches Talent an den Tag, dass die langweilige Story wenigstens durch ein paar Lacher aufgelockert wird. Ein persönliches Highlight war für mich das Wiedersehen mit Laura Prepon, die ich durch die Sitcom Die wilden 70er kennen und schätzen gelernt habe.

Da mir die Romanvorlage von der echten Beth Raymer unbekannt ist, kann ich nicht beurteilen, welchen Anteil Regisseur Stephen Frears und Drehbuchautor DeVincentis am Scheitern dieses Konzepts haben und wie viel auf das Buch selbst zurückzuführen ist. Interessieren würde mich allerdings, ob Beth auch im wahren Leben eine so nervtötende Person ist.

Insgesamt fällt mir kein guter Grund dafür ein, sich Lady Vegas im Kino anzusehen. Die Geschichte ist uninteressant erzählt, die Hauptfigur nicht sonderlich sympathisch. Abgesehen von verhaltenen Lachern über Catherin Zeta-Jones hat der Film keinen größeren Unterhaltungswert vorzuweisen. Wäre er nicht so prominent besetzt, wäre Lady Vegas in meinen Augen ein klarer „direct to DVD“-Kandidat.

KINOSTART: 19. Juli 2012





Dienstag, 19. Juni 2012

Bis zum Horizon, dann links!


© Neue Visionen/ Regie: Bernd Böhlich
Gut gemeint ist nicht gleich gut gemacht. Bis zum Horizont, dann links! will die Aufmerksamkeit des Kinopublikums auf eine wachsende, aber medial unterrepräsentierte Bevölkerungsgruppe lenken: Senioren. Eine sensible und dennoch komödiantische Herangehensweise an das Thema ist Regisseur Bernd Böhlich gelungen. So ganz überzeugen vermag das Endprodukt aber leider doch nicht.

Im Zentrum der Geschichte steht Annegret Simon (Angelica Domröse), die von ihrem Sohn in das Altersheim „Abendstern“ abgeschoben wird, als dieser mit seiner Familie in die USA auswandert. Für Annegret ist dies der Anfang vom Ende - keine neue Phase ihres Lebens, sondern die letzte. Mit ihrer Frustration ist sie nicht alleine. Auch Eckehardt Tiedgen (Otto Sander) hat es leid, sich mit unliebsamen Zimmergenossen zu quälen, nach den Regeln der Heimleitung zu leben und das Leben nur noch als Beobachter zu verfolgen. Bei einem Rundflug über Brandenburg, den die Seniorengruppe gemeinsam unternimmt, kapert Eckehardt daher das Flugzeug und zwingt die Piloten Richtung Mittelmeer abzudrehen.

Es ist Bernd Böhlich hoch anzurechnen, dass er mit seinem Film auch einem jungen Publikum nahebringen will, was das Leben im Altersheim für die Bewohner bedeutet. Annegrets Schmerz über diese letzte Lebensstation, die Einsamkeit der Bewohner, der Verlust der Würde und der Selbstbestimmung werden dem Zuschauer eindrücklich vor Augen geführt. Leider ist Böhlich in seiner Darstellung letztendlich doch zu vorsichtig. Die Seniorenresidenz „Abendstern“ gehört immer noch zu den wohnlichen Ausnahmeeinrichtungen und spiegelt mit Sicherheit nicht den Alltag der meisten Senioren wider. Zudem wirken viele der Darsteller – insbesondere Hauptfigur Annegret – deutlich zu jung für ein Leben im Heim.

Auch an anderen Stellen kann Bis zum Horizont, dann links! nicht überzeugen. So scheint das Altenheim nur über eine einzige Schwester (Anna Maria Mühe als Amelie) zu verfügen, was zwar unter Umständen das reale Betreuungsverhältnis in Pflegeeinrichtungen widerspiegelt, im Rahmen des Films aber dennoch unglaubwürdig wirkt. Auch die Darstellung der Flugzeugentführung hätte noch einer Vertiefung der Absurdität bedurft. Dass ein bewaffneter Rentner eine Propellermaschine kapert, ist an sich ein recht unwahrscheinlicher Vorfall, dessen glaubwürdige Inszenierung dem Regisseur einiges abverlangt. Böhlich scheitert leider kläglich an diesem Unternehmen. Einen weiteren Wermutstropfen stellt die Liebesgeschichte zwischen Amelie und Co-Pilot Mittwoch (Robert Stablober) dar, die nicht halb so viel Charme besitzt, wie die vorsichtigen Annäherungen zwischen den Senioren.

Dass Bis zum Horizont, dann links! nicht überzeugen kann, darf nicht den Darstellern angelastet werden, die – Robert Stadlober ausgenommen – ihren Figuren gekonnt Leben einhauchen. Die junge Schauspielriege muss sich vor den Altstars und ihrem Spiel verbeugen, denn während Domröse und Sander durch ihr Talent beinahe die ihrem Leinwandalter unangemessene Kostümierung ausgleichen, ergeht sich Robert Stadlober in gnadenlosem Over-Acting.

Erwähnenswert ist zudem die wirklich schöne Filmmusik, die das insgesamt ruhige Erzähltempo ausgleicht und den Zuschauer mitreißen kann, auch wenn sie an einigen Stellen vielleicht einen Tick zu sentimental geraten ist.

Am Ende stellt sich vor allem die Frage, warum Schauspieler wie Herbert Köfer und Us Conradi, die sich in einem dem Film angemessenen Alter befinden, in die Nebenrollen verdrängt werden, während die deutlich zu jung besetzten Hauptdarsteller ihnen zu Unrecht die Show stehlen. Herbert Feuerstein ist trotz seiner 75 Jahre auch für den ihm zugedachten Randpart eindeutig zu agil.

Insgesamt ist Bis zum Horizont, dann links! nicht mutig genug, sein Thema angemessen zu präsentieren. An dem Thema Alter wird nur leicht gekratzt, doch statt wahrhaft gebrechlicher Protagonisten werden uns adrett gekleidete Hauptfiguren präsentiert, denen wir nächtliches Bettnässen auch mit viel Wohlwollen nicht abnehmen können. Somit beraubt sich der Film selbst seiner Überzeugungskraft und reduziert das Thema Senioren einmal mehr zu einem müden Lächeln. 

KINOSTART: 12. Juli 2012

Pressespiegel bei film-zeit.de


Mittwoch, 13. Juni 2012

Rock of Ages


© Warner Brothers/ Regie: Adam Shankman
Highschool Musical war gestern – heute ist Rock of Ages! Auch wenn die beiden Protagonisten eher so aussehen, als wären sie aus erstgenanntem Teeny-Streifen entsprungen, empfinde ich Rock of Ages als Erwachsenen-Version dieser Musical-Reihe. Schließlich ist die Besetzung der Hauptfiguren mit den glattpolierten und vollkommen austauschbaren Schauspielern Julianne Hough und Diego Boneta wohl auch weniger ein Versehen als ein ironisches Zwinkern in Hinblick auf die aus Rocker Sicht bemitleidenswerte Pop-Kultur.

Auf dem gleichnamigen Broadway-Musical basierend erzählt Rock of Ages die Geschichte eines einschlägigen Etablissements, dem „Bourbon Room“, dessen Existenz auf dem Spiel steht. 1987 sind es die Rocker, die für den moralischen Verfall von Los Angeles verantwortlich gemacht werden. An vorderster Front kämpft die Bürgermeistersfrau (Catherine Zeta-Jones) für die Schließung des Rock-Clubs. Ladenbesitzer Dennis (Alec Baldwin) und seine rechte Hand Lonny (Russel Brand) sehen ihre letzte Chance im Abschiedskonzert der sagenumworbenen Band „Arsenal“, deren Leadsänger Stacee Jaxx (Tom Cruise) nun eine Solokarriere starten will. Doch der listige und durchtriebene Manager Paul (Paul Giamatti) macht ihnen einen Strich durch die Rechnung. Ach ja, und dann ist da noch diese Lovestory von diesem jungen Mädchen vom Lande (Julianne Hough als Sherrie), die im „Bourbon Room“ als Kellnerin anfängt und sich in ihren Kollegen (Diego Boneta als Drew) verliebt.

Ja, die Handlung ist nicht das Aushängeschild von Rock of Ages. Ein Musical schaut man sich ja aber auch nicht wegen der atemberaubenden Handlungstwists an, sondern wegen der Musik! Und die konnte zumindest mich durchgehend begeistern. Dass die großen Rockklassiker allesamt „eingepopt“ sind, schmälert den Genuss ein wenig, doch wer sich schon bei den ersten Tönen von „More Then Words“ zur Jugendliebe zurück träumt und zu den Akkorden von „We built this city“ das Luftschlagzeug bespielt, dem wird Rock of Ages trotzdem Spaß machen.

Knallharte Rockmusik und das Musical-Genre passen eben auch einfach nicht besonders gut zusammen. Wo Catherine Zeta-Johnes das Bein in erstaunliche Höhen schwingt, können keine plärrenden Gitarrensolos erklingen. Dass Rock of Ages sich in dieser ungewöhnlichen Mischung selbst nicht ganz ernst nimmt, zeigt vor allem die Liebesgeschichte zwischen Drew und Sherrie. Die Locken des ersteren lassen sich am besten als Prinz-Eisenherz-Gedenkfrisur bezeichnen und Sherries Outfit unterscheidet sich auch nicht wesentlich von dem der jungen Britney Spears. Spätestens  wenn Drew von seinem Manager dazu gedrängt wird, Teil einer Boyband zu werden, ist der kritische Blick auf austauschbare Popsternchen nicht mehr zu übersehen.

Den beiden weitgehend charakterlosen und letztendlich auch vollkommen uninteressanten, weil gesichtslosen, Teeny-Ikonen wird mit Alec Baldwin, Russel Brand, Paul Giamatti, Mary J. Blige und Tom Cruise ein extrem charismatischer Cast gegenüber gestellt. Trotz all meiner Vorbehalten gegen Tom Cruise muss ich seine Darstellung des exzentrischen Rockstars in den höchsten Tönen loben. Er ist Stacee Jaxx durch und durch. Allein seine Körperhaltung drückt die Arroganz der Figur aus, lassen uns den Scientologen vergessen und nur noch den Rockmusiker sehen. Aber vielleicht ist Cruise selbst von seiner Figur gar nicht so weit entfernt. Immerhin wird von Stacee mehrfach behauptet, er würde satanischen Kulten frönen. So viel Selbstironie hätte ich Herrn Cruise wahrlich nicht zugetraut!

Die Selbstironie ist der kritische Punkt an Rock of Ages, denn ohne sie kann diese seichte, von Stereotypen durchsetzte Story auf der Leinwand nicht funktionieren. Leider ist die kritische Distanz des Films zu sich selbst nicht immer gleichermaßen deutlich: Nicht immer ist klar, wo wir ihn ernst nehmen und wo lieber belächeln sollen. Diese kurzen Momente der Irritation reißen uns als Zuschauer vorübergehend aus dem Musik-Universum heraus.

Rock of Ages hat keine große Geschichte zu erzählen, teilt aber großzügig Seitenhiebe auf Möchtegern-Rocker und Pop-Sänger aus. Dazu gibt es viel Musik, die wir alle irgendwoher kennen, mit der wir Erinnerungen verbinden und die für gute Laune sorgt. Wem das für einen gelungenen Kinoabend reicht, der wird definitiv gut unterhalten werden. Und die Moral von der Geschicht’: Rockmusik stirbt niemals nicht!!

Schönstes Zitat:
Sherrie: „I’m a stripper!“
Drew: „I’m in a boy band...“
Sherrie: „You win!“

KINOSTART: 14. Juni 2012

Pressespiegel bei film-zeit.de


Dienstag, 5. Juni 2012

Cosmopolis


© Falcom Media/ Regie: David Cronenberg
Ein Milliardär fährt in seiner Limousine durch New York, trifft seine Frau, Geschäftspartner, Berater und beobachtet durch die Fenster des Wagens die Realität, zu der er keine Verbindung mehr spürt. Nicht viel Stoff für einen packenden Film. Und doch hat Cosmopolis von David Cronenberg dieses gewisse Etwas, das uns den Film so schnell nicht aus dem Kopf gehen lässt.

Eric Packer (Robert Pattinson) ist mehr als reich. Gerade denkt er darüber nach, in seinem New Yorker Appartment einen Schießstand zu installieren und eine komplette Kapelle, die ihm auf Grund der dortigen Gemälde gefällt, in seine Behausung umziehen zu lassen. Seine Ehe ist im Eimer, obwohl die Hochzeit erst wenige Monate her ist. Doch das ist nicht das einzige, das sein Leben überschattet. Trotz seines bislang untrüglichen Instinkts hat sich der junge Geschäftsmann verspekuliert. Der Bankrott droht. Und als wäre das noch nicht genug, ist ihm ein Attentäter auf den Fersen. Doch Eric lässt sich nicht aus der Ruhe bringen und nimmt eine Tagesreise durch New York in Kauf, um den Friseur seines Vertrauens aufzusuchen. Das ist Dekadenz.

Einige Kollegen sind der Meinung, Cronenbergs neues Werk sei mit Dialogen überladen. In der Tat wird Cosmopolis von den Gesprächen der Charaktere dominiert, die auf einem immensen intellektuellen Niveau stattfinden und sich eines Duktus bedienen, der sich jenseits unserer Alltagssprache befindet. Manchmal fühlte ich mich gar an eine dieser modernen Shakespeare-Verfilmungen erinnert, in denen die Sprache nicht zu den Bildern passen möchte. Hat man sich jedoch erst einmal von dem Anspruch gelöst, jede Zeile zu verstehen, verschwimmen die Dialoge zu einem abstrakten Geräuschteppich, in dem nur einzelne Elemente durch Wiederholung eine Bedeutung erfahren. David Cronenberg hat seinen Film ganz bewusst um die Originaldialoge von Romanautor Don DeLillo konstruiert und diese größtenteils wortwörtlich übernommen. Auch wenn die Wortlast hiermit kein Versehen, sondern künstlerische Absicht darstellt, ging mir das pseudointellektuelle Gelaber spätestens nach einer halben Stunde ziemlich auf die Nerven. Nur wenn wir die Dialoge als Werkzeug der Abstraktion begreifen, so glaube ich, ist hinter ihrer scheinbaren Sinnlosigkeit eine Funktion erkennbar.

Cosmopolis spielt in einem Mikrokosmos: Erics Limousine. Eine Schallisolierung verhindert, dass die Geräusche der Außenwelt zur Hauptfigur und uns durchdringen. Die Akustik ist gewöhnungsbedürftig, verdeutlicht jedoch, wie stark der Protagonist von der Realität getrennt ist. Seine Welt ist die Abstraktion: Die Zahlen rattern über die Bildschirme der Limousine und werden trotz ihrer Omnipräsenz meistens ignoriert. Sie sind nicht mehr länger Zeichen für etwas real Existierendes, sondern nur mehr leere Symbole, Simulakren. Auch die gestelzte Sprache und die ausufernden Dialoge - bedeutungsschwanger, doch ohne echten Inhalt - passen in dieses Konzept. Cosmopolis ist eine Abstraktion, die ihren Ausgangspunkt vergessen hat.

Während sich über die filmische Qualität dieses Konzepts streiten lässt, so wird doch eines offenbar: Robert Pattinson kann schauspielern. Es hat mich in hohem Maße überrascht, in seinen regungslosen Gesichtszügen nicht ein einziges Mal den melancholischen Vampir zu entdecken. Sicher kommt es ihm entgegen, dass ihm seine Rolle größtenteils Gleichgültigkeit vorschreibt. Doch auch in den Momenten, in denen sich Eric für einen kurzen Moment aus seiner emotionalen Erstarrung löst, bleibt Pattinson gleichsam glaubwürdig.

Cosmopolis ist ein gelungener Spiegel unserer Zeit, in der die Realität immer absurder zu werden scheint. Wie Eric beobachten auch wir die Welt nur durch Fenster: die Bildschirme unserer TV-Geräte und Computer. Wie er sehen wir dort politische Protestbewegungen und die fast schon religiöse Erhebung berühmter Persönlichkeiten, ohne daran wirklich teilzunehmen. Der Tod eines Superstars rührt uns zu Tränen, während unsere zwischenmenschlichen Beziehungen durch Distanz gekennzeichnet sind. Obwohl Cosmopolis durch seine gestelzten Dialoge und die Ästhetik vollkommen artifiziell wirkt, steckt darin doch eine Menge Wahrhaftigkeit.

Auch wenn wir die bis zu 20 Minuten andauernden Dialogszenen als Stilmittel begreifen, sind gewisse Längen in Cosmopolis nicht von der Hand zu weisen. Es hätte an einigen Stellen einer Raffung bedurft, um die Handlung insgesamt dynamischer zu gestalten. Einen Spannungsbogen sucht man hier ebenso vergebens wie einen zur Identifikation einladenden Charakter. Die Figuren sind zu undurchschaubar, um ihre Gefühlswelt zu ermessen oder gar nachzuvollziehen.

Trotz allem bleibt Cosmopolis in meinen Augen ein beachtlicher, wenn auch absonderlicher Film, den zu verstehen von vornherein der falsche Ansatz ist. Cosmopolis will nicht dekodiert werden, denn es ist ja gerade die Aussage dieses Werks, dass hinter all den Worten und Zeichen kein tieferer Sinn mehr zu finden ist.

KINOSTART 05. Juli 2012

Pressespiegel bei film-zeit.de 




Mittwoch, 23. Mai 2012

Street Dance 2 - Der Untergang des Tanzfilms


© Universum/ Regie: Max Giwa & Dania Pasquini
Der ultimative Tanzfilm ist für mich nach wie vor DIRTY DANCING. Kein Film konnte danach an dieses 80er Jahre Werk heranreichen. Und wenn ich mir die neue Generation von Tanzfilmen so ansehe, stelle ich fest, dass sich das Genre Tanzfilm selbst maßgeblich verändert hat. STREET DANCE 2 ist das perfekte Beispiel, anhand dessen sich dieser Niedergang beleuchten lässt.

Charaktere sind out
Während wir in DIRTY DANCING die Hauptfigur Baby (Jennifer Grey)  von Beginn an in unser Herz schließen und ihren Weg vom Mädchen zur Frau mitverfolgen, weiß STREET DANCE 2 nur bloße Typen zu präsentieren. Ash (Falk Hentschel) fehlt nicht nur das Charisma eines Patrick Swayze, ihm wird leider im Laufe der Geschichte auch nur im Ansatz so etwas wie eine Persönlichkeit zuerkannt. Sein pathetisches Voice-Over soll uns zwar suggerieren, dass es sich hier nicht um eine tanzende Barbie-Puppe handelt, doch gelingt es den Regisseuren Max Giwa und Dania Pasquini leider nicht, ihn in einen Menschen aus Fleisch und Blut zu verwandeln. Und so bleibt Ash und seine gesamte Geschichte für uns im Grunde total uninteressant. Auch sein Love-Interest Eva (Sofia Boutella) ist weitgehend charakterbefreit. Mit derart formelhaft konstruierten Figuren kann auch die Liebesgeschichte zwischen den beiden an keiner Stelle wirklich romantisch werden.

Storys sind out
DIRTY DANCING hatte eine Geschichte zu erzählen. Bis das erste Mal getanzt wird, vergehen ein paar Minuten: Baby muss erst einmal eine Wassermelone tragen und sich blamieren, bevor sie und die Zuschauer erstmals die sexy Performance des Hotel-Personals bewundern dürfen. STREET DANCE 2 spart sich diesen unnötigen Handlungsfüllstoff. Hier geht es um nichts anderes als den Tanzwettbewerb, den Ash unbedingt gewinnen will. Er stellt eine Truppe europäischer Tänzer zusammen, zu der irgendwann die Latin-Queen Eva dazu stößt, trainiert eine Choreographie ein und tritt am Ende gegen seinen Erz-Rivalen an. Dass das nicht ganz für einen Kinofilm ausreicht, war offensichtlich auch Giwa und Pasquini klar. Wie aus dem Lehrbuch kommt es daher nach zwei Dritteln Laufzeit zu einer Art Konflikt, der so offensichtlich konstruiert ist, dass er statt Spannung nur Stirnrunzeln erzeugt. Noch nie war die Formulierung „die Geschichte entwickelt sich nicht aus den Charakteren, sondern wird ihnen übergestülpt“ so treffend. Genauso verhält es sich auch mit dem Schlüsselereignis eine Viertelstunde später, das die so überraschend entzweiten Liebenden dann rechtzeitig zum Finale wieder aneinander schweißt. Ich sehe vor meinem inneren Auge wie die Filmemacher zusammen sitzen und überlegen, wie sie den von vornherein vollkommen unsinnigen Konflikt nun bereinigen könnten und sich dann für den Klassiker „Sympathieträger wird todkrank“ entscheiden. Das muss im Film auch gar nicht weiter erklärt werden, denn wir haben ja im Hollywoodkino schon gelernt, dass ein solches Ereignis die Menschen wie von Zauberhand wieder zueinander führt. Deshalb spart sich STREET DANCE 2 an dieser Stelle auch unnötige Dialoge und kommt direkt zum Punkt: Wir haben uns alle wieder lieb. Ach, ist das schön!
Der Gerechtigkeit halber muss ich aber noch hinzufügen, dass ich mir im Grunde für STREET DANCE 2 noch weniger Handlung gewünscht hätte. Denn wann immer die Schauspieler meinen, sie müssten doch jetzt mal wieder reden statt tanzen, standen mir vor lauter Fremdschämen die Nackenhaare zu Berge. Das liegt nicht nur am fehlenden Talent der Darsteller, sondern auch an den unmöglichen Dialogen. Als Eva nach der ersten – und familienfreundlich komplett ausgeblendeten – Liebesnacht ihrem Ash ins Ohr haucht „... dann werden wir von jetzt an alles teilen“, hätte ich mich am liebsten in meine Popcorn-Tüte übergeben.

Rotierende Körper in drei Dimensionen
Wie schon der erste Teil, wurde auch STREET DANCE 2 in 3D gedreht. Seit PINA bin ich ja der Meinung, dass der Tanzfilm das einzige Genre ist, in dem die 3D-Technik eine Daseinsberechtigung hat. Und so nutzt auch STREET DANCE 2 gekonnt die neue Bildtiefe, um uns die Körperbewegungen greifbar nah zu präsentieren. Giwa und Pasquini hegen ohne Frage eine große Leidenschaft für die Performancekunst Tanz. Das ist ihrem Werk anzusehen. Die rhythmische Bewegung dient nicht nur als Augenweide, sondern ersetzt an einigen Stellen die Handlung. Dabei entstehen immens ästhetische Aufnahmen, die das Tänzerherz höher schlagen lassen und hundertmal mehr Atmosphäre transportieren als die haarsträubenden Dialoge. Auch die Mischung von HipHop und Lateinamerikanischen Tänzen funktioniert, wobei letzterem Element nach meinem Geschmack mehr Screentime geschenkt werden dürfte.

Akrobatik statt Groove
Wenn man STREET DANCE 2 als typischen Tanzfilm unserer Zeit begreift und ihn mit DIRTY DANCING vergleicht, fällt auf, dass der Tanz nicht nur Selbstzweck wird, sondern sich gar von sich selbst entfremdet. Umso absurder ist es, dass STREET DANCE 2 in seinen pathetischen Momenten eine Botschaft davon zu vermitteln sucht, dass es beim Tanzen eben nicht um Selbstdarstellung, sondern die Liebe zur Bewegung an sich ginge. Doch wenn akrobatische Breakdance-Einlagen die Choreographien dominieren und die zahlreichen Montagen die dargestellten Bewegungen von der Musik abzulösen beginnen, wird der Tanz zu reinem Posing reduziert. Nein, es geht nicht mehr länger um die ästhetische Bewegung, die mit der Musik verschmilzt, sondern um eine Demonstration der eigenen Fähigkeiten. Hier bin ich, das kann ich – geil, oder?!
Und da kommen wir zu einem weiteren fundamentalen Unterschied: Nachahmbarkeit. Ich kann mich noch erinnern, dass die finale Choreographie von DIRTY DANCING zu „Time of My Life“ in meiner Kindheit und Jugend eine beliebte Bühneneinlage bei Schulfesten und ähnlichen Anlässen darstellte. Auch wenn die Hebefigur für Otto-Normaltänzer ebenso schwierig ist wie für Protagonistin Baby, so konnte sich doch jeder wie die übrigen Tänzer auf der Leinwand rhythmisch und sexy zur Musik wiegen und seine kreisenden Hüften herausfordernd am Tanzpartner reiben. Bei STREET DANCE 2 geht das nicht mehr. Die Kluft zwischen Zuschauer und Leinwandstar ist größer geworden. Niemand wird beim nächsten Schulfest die Schlusschoreographie von STREET DANCE 2 tanzen. Zumindest nicht, ohne sich alle Knochen zu brechen.

Früher war alles besser. Auch die Tanzfilme. Sie hatten noch Handlung, liebenswerte Charaktere und motivierten zur Nachahmung. Heute müssen wir uns glattpolierte und vollkommen austauschbare Tanztypen ansehen, die mit ihren akrobatischen Einlagen darüber hinwegtäuschen wollen, dass sie selbst die simpelsten Dialoge nicht überzeugend rüberbringen können. Und statt die Play-Station-Generation endlich mal von der Couch aufzuscheuchen, fordern Filme wie STREET DANCE 2 lediglich zum passiven Konsum auf. Sich selbst zu bewegen ist eben so unendlich 80er...

KINOSTART: 7. Juni 2012

Pressespiegel auf kino-zeit.de



Und im Vergleich noch mal ein kleiner Blick auf Dirty Dancing

Montag, 21. Mai 2012

Men in Black 3


© Sony Pictures/ Regie: Barry Sonnenfeld
Mit Aliens, die unerkannt unter den Menschen leben, kann ein Film heutzutage niemanden mehr hinterm Ofen vorlocken. Deshalb wird auch keine Fortsetzung von Men in Black jemals an die Qualität des Originals heranreichen. Immerhin aber bietet der dritte Teil genug Innovationen, um das Publikum nach Hollywoodmanier angemessen zu unterhalten.
In MEN IN BLACK 3 treten Will Smith und Tommy Lee Johnes zum dritten Mal als Agentenduo J und K auf. Während ihr Verhältnis wohl noch nie als „herzlich“ zu beschreiben war, ist die Stimmung zwischen den beiden diesmal besonders angespannt. J (Will Smith) vermutet, dass K (Tommy Lee Johnes) ihm bedeutungsvolle Informationen vorenthält. Als sein älterer Kollege und Mentor dann plötzlich verschwindet als wäre er niemals dagewesen und eine Alieninvasion die Erde zu vernichten droht, muss J in die Vergangenheit reisen, um mit dem damals 29jährigen K gemeinsam die Welt vor dem Untergang zu retten.
MEN IN BLACK 3 hat alle Zutaten, die dieses Franchise braucht: Schwarze Anzüge, Sonnenbrillen und vor allem zahlreiche, kunterbunte und ausgefallene Aliens (mein Favorit ist der sprechende Hefekloß, der sich gemütlich auf einer heißen Herdplatte ausruht).  Make-Up Künstler Rick Baker hat sich hier erfolgreich ausgelebt und wie schon in den ersten beiden Teilen der Reihe absonderlich-interessante Außerirdische geschaffen. Der meist rein optische Reiz dieser Figuren ist jedoch leider nur am Anfang präsent und bis auf Bösewicht Boris (Jemaine Clement) verkommen die fantasievollen Geschöpfe im Filmverlauf zu Randfiguren. Optisch nicht besonders spektakulär, dafür unterhaltsam ist allerdings die Figur des Griffin (Michael Stuhlbarg), der in verschiedenen potentiellen Realitäten gleichzeitig lebt und dessen leicht glasiger Blick sowie seine herzensgute und friedliebende Art ihm beim Zuschauer Sympathiepunkte einbringen.
Das innovative Element von MEN IN BLACK 3 ist ohne Frage J’s Reise in die Vergangenheit. Als Existenzberechtigung reicht diese Neuerung allemal aus – es wurden schon Fortsetzungen mit weit weniger inhaltlicher Weiterentwicklung gedreht. Leider bleibt bei der Inszenierung dieser Zeitreise eindeutig Luft nach oben. Das Jahr 1969 manifestiert sich insbesondere durch die Kostüme. Es scheint, als hätten die Komparsen in der Drehpause nur rasch die Kleidung gewechselt. So richtig überzeugen kann die 60er Jahre Atmosphäre nicht. Auch wenn ein kleiner Auftritt von Andy Warhol und der zu dieser Zeit noch stärker präsente Rassismus in den USA ein wenig Zeitgeist vermitteln, bleibt MEN IN BLACK 3 hier Meilen hinter seinem eigenen Potential zurück.
Natürlich kommt der Film, wie es sich heutzutage gehört, in einer dreidimensionalen Version daher (das wäre doch mal ein Gag gewesen, wenn der Film mit der Zeitreise von 3D zu 2D wechseln würde...). Im Gegensatz zu manch anderem Film, der meint, sich einer weiteren Dimension bereichern zu müssen, passt die 3D-Technik hier eindeutig ins Konzept. Cartoon-ähnliche Actionenszenen, Kamerafahrten und insbesondere das actionreiche Finale sorgen dafür, dass die Technik hier kein reiner Selbstzweck bleibt.
Was die Geschichte selbst angeht, so unterscheidet sich MEN IN BLACK 3 nicht grundlegend von seinen Vorgängern: Die Welt wird von schlecht gelaunten Außerirdischen bedroht, die Spezialagenten müssen die Katastrophe verhindern – alles nicht besonders spektakulär. Die Auflösung des zu Beginn aufgeworfenen Geheimnisses aber dürfte so manchem MIB-Fan eine Gänsehaut zaubern. Es ist auch eben diese Auflösung, die uns mit der etwas schwachen Storyline auszusöhnen vermag.
Die Macher von MEN IN BLACK 3 haben sich eindeutig Mühe gegeben, im dritten Teil nicht nur Altbekanntes wiederzukäuen, sondern das Konzept durch kleinere Innovationen aufzupeppen. Das ist ihnen größtenteils gelungen, auch wenn eine konsequentere Umsetzung der 60er Jahre Realität dem Gesamtwerk mehr Pfiff verliehen hätte. MEN IN BLACK 3 ist kein Meisterwerk, aber solides Blockbuster-Kino, das Fans der Reihe mit liebenswerten Charakteren, ausgefallenen Aliens und einer angemessenen Prise Selbstironie und Humor zu unterhalten weiß.

KINOSTART: 24. Mai 2012

Pressespiegel auf film-zeit.de


Dienstag, 8. Mai 2012

Dark Shadows

© Warner Brothers/ Regie: Tim Burton

Für ihre achte Zusammenarbeit haben sich Regisseur Tim Burton und Schauspieler Johnny Depp etwas Besonderes vorgenommen und die 70er Jahre Kultserie DARK SHADOWS in einen Kinofilm verwandelt. Die Rolle des Vampirs Barnabas scheint hierbei Johnny Depp auf den Leib geschrieben zu sein. 

Nachdem er im 18. Jahrhundert von einer eifersüchtigen Hexe in einen Vampir verwandelt und lebendig begraben wurde, befreit ihn in den wilden 70ern endlich jemand aus seinem Gefängnis. Sofort kehrt Barnabas in das Herrenhaus seiner Familie zurück, in dem jedoch auf Grund finanzieller Engpässe vom einstigen Glanz kaum mehr etwas übrig geblieben ist. Auch der Collins-Clan ist zusammengesschrumpft. Im Haus leben die Matriarchin Elizabeth (Michelle Pfeiffer), ihre pubertierende Tochter Carolyn (Chloe Grace Moretz), ihr Bruder Roger (Jonny Lee Miller) und dessen Sohn David (Gully McGrath). Und dann gibt es noch die nicht weniger prominent besetzten Angestellten Dr. Julia Hoffman (Helena Bonham Carter) und Willie (Jackie Earle Haley). Das jüngste Mitglied der Familie ist Victoria Winters (Bella Heathcote), eine Gouvernante, die frappierende Ähnlichkeit zu Barnabas’ erster großer Liebe aufweist. Und so ist es kein Wunder, dass sich der Vampir schnell heimisch fühlt und sich vornimmt, das einstige Fischereiimperium der Familie wieder aufzubauen. Dabei kommt ihm jedoch genau die Frau in die Quere, der er seine Vorliebe für Blut zu verdanken hat: Angelique (Eva Green) ist inzwischen eine erfolgreiche Geschäftsfrau und nicht weniger teuflisch als noch vor 200 Jahren. 

Johnny Depp, der DARK SHADOWS auch produziert hat, konnte einen wunderbaren Cast für seinen Film gewinnen, der durch Kurzauftritte von Christopher Lee, Alice Cooper und einigen original Darstellern der 70er Jahre Serie komplettiert wird. Auch Tim Burton war eigentlich eine gute Wahl, denn die Arbeit mit der quietschbunten Ausstattung des Films und der grotesken Atmosphäre ist für den Regisseur im Grunde ein Heimspiel. So gehören die Kulisse und die Kostüme auch zu den Elementen, die durchgängig begeistern können, was man leider nicht von allem in DARK SHADOWS behaupten kann.

Das Hauptproblem ist der starke Fokus auf die Figur des Barnabas. Vielleicht wäre es besser gewesen, sich stärker an der Originalserie zu orientieren. Hier nämlich tauchte der Vampir erst nach einem Jahr überhaupt in der Handlung auf. Während die Geschichte mit Victorias Ankunft in der Familie beginnt und beim Zuschauer den Verdacht weckt, dass die junge Frau irgendein dunkles Geheimnis hütet, verkommt die Gouvernante mit dem Auftritt Johnny Depps zur Randfigur. Und das obwohl sich der Vampir umgehend in das Mädchen verliebt! So wird der Handlungsstrang von Victorias Geschichte radikal unterbrochen. Aber nicht nur das: Da sie vornehmlich durch Abwesenheit glänzt, ist auch die Entwicklung der Liebesgeschichte zwischen Barnabas und Victoria leider nicht besonders überzeugend. 

Dass keine Romantik aufkommen mag, liegt auch an der mangelhaften Konstruktion der Figur des Barnabas. Burton und Drehbuchautor Seth Grahame-Smith schaffen es nicht, ihn zu einer sympathischen Figur zu machen, mit der die Zuschauer mitfiebern. Seine Handlungen, insbesondere seine Morde, sind nicht immer nachvollziehbar und es fehlt ihm der unschuldige Charme eines Edward mit den Scherenhänden. Im Gegensatz zu dieser Figur ist Barnabas auch stark sexualisiert: Trotz seiner angeblich tiefen Liebe zu Victoria erliegt er immer wieder dem Charme anderer Frauen. Selbst die bösartige Angelique kann ihn durch ihre weiblichen Reize aus dem Konzept bringen. All dies trägt dazu bei, dass es uns im Grunde wenig interessiert, ob er sein Herzblatt erobern kann oder nicht. 

Die fehlende Sympathie für die Hauptfigur, die so übermäßig stark im Zentrum dieses Films steht und bedauerlicher Weise die anderen interessanten Charaktere stark verdrängt, lässt auch die Handlung zunehmend zäh werden. So richtig mitfiebern können wir nicht. Auch das Ende enttäuscht, in dem es mit einem „deus ex machina“- Effekt die Rettung in letzter Sekunde auf höchst unbefriedigende Weise präsentiert. Spätestens hier entwickelt sich der Humor, der anfänglich durch das Aufeinandertreffen des altertümlichen Vampirs mit der modernen Welt entsteht, zu unfreiwilliger Komik. 

DARK SHADOWS legt einen guten Start hin, indem ein bekannter und farbenprächtig inszenierter Cast vorgestellt wird (allen voran Helena Bonham Carter mit der  - meiner Meinung nach – schönsten Frisur ihrer Karriere). Die erste halbe Stunde ist noch durch regelmäßige Lacher geprägt. Doch der Film schafft es weder, diesen Humor über den gesamten Film zu transportieren, noch seine Zuschauer durch Figuren und Handlung bei der Stange zu halten. Dieser sukzessive Qualitätsverlust des Films erzeugt eine Menge Frust und lässt uns die Andeutung einer Fortsetzung vor allem als Drohung empfinden. Sehr bedauerlich. 

KINOSTART: 10. Mai 2012


Montag, 23. April 2012

UFO IN HER EYES


© Pandora Films/ Regie: Xiaolu Guo
 Science Fiction, Märchen, Fabel, Satire – irgendwie ist UFO IN HER EYES von allem ein bisschen. Basierend auf ihrem gleichnamigen Roman erzählt die Autorin und Filmemacherin Xiaolu Guo hier die Geschichte eines kleinen chinesischen Dorfes, in das der Fortschritt Einzug hält und das Leben der Bewohner auf den Kopf stellt. Alles beginnt damit, dass die Arbeiterin Kwok Yun (Shi Ke) ihrer Ortsvorsteherin (Mandy Zhang) von einer angeblichen UFO-Sichtung und der Rettung eines mysteriösen Fremden berichtet. Dieser von Udo Kier verkörperte Fremde entpuppt sich als reicher amerikanischer Geschäftsmann, der seiner Dankbarkeit durch eine großzügige Spende Ausdruck verleiht. Die patente Vorsteherin ergreift die Gelegenheit, ihr kleines Dorf in eine Metropole zu verwandeln. Die Schreibmaschine wird durch einen Laptop ersetzt, ein Vergnügungspark geplant und Wolkenkratzer errichtet. Doch bei all dieser Euphorie über den Einzug des westlichen Luxus bleiben die meisten Bürger auf der Strecke. Allen voran Kwok Yun, die die Aggressionen der Modernisierungsverlierer am eigenen Körper zu spüren bekommt. 

Xiaolu Guo zeigt uns ein China, wie wir es selten sehen. Ein China, das den Einfluss der amerikanischen Kultur nicht nur begrüßt, sondern herbeisehnt. Ein China, das mit tosendem Applaus den Einzug des Kapitalismus feiert. Obwohl UFO IN HER EYES durch seine Übertreibungen und ironischen Spitzen keinen Zweifel daran aufkommen lässt, dass es sich hier nicht um eine wahrheitsgetreue Abbildung der Realität handelt, ist die kritische Stimme der Autorin doch deutlich zu vernehmen. In ihren Bestrebungen, in die Zukunft aufzubrechen, lassen die Menschen ihre Tradition und damit auch ihre Identität zurück, was zwangsläufig in absurdem Chaos und gar Gewalt endet. 

Auch ästhetisch vereint UFO IN HER EYES verschiedene Elemente. Fantastische Bildwelten und die Übernahme der Perspektive der Tiere – Schweine, Gänse und Fasane – haben hier ebenso Platz wie das Spiel mit Farbe und Form. So sehen wir die Welt aus den Augen eines ermittelnden Polizisten in nüchternem schwarz-weiß, während Kwok Yuns Erinnerung an den geheimnisvollen Tag der UFO-Sichtung in bunten Farben erstrahlt. Xiaolu Guo inszeniert ihre Geschichte gekonnt ambivalent zwischen Märchen und Satire und lässt den Zuschauer bis zum Ende über die Art ihrer Erzählung im Unklaren. 

Die absurden Ereignisse, die sich in Folge der Geldspende in dem kleinen Ort abspielen, sorgen beim Zuschauer nicht nur für in Skepsis erhobene Augenbrauen, sondern ebenso für amüsiertes Schmunzeln. Manche Details bleiben jedoch fragwürdig. Allen voran die Tatsache, dass ausgerechnet Udo Kier mit unüberhörbar deutschem Akzent die amerikanische Kultur verkörpert. Auch wirkt die Darstellung der Modernisierung des Dorfes stellenweise zu plakativ und wenig originell. Gerade das Aufkommen von Presserummel und Tourismus erinnert stark an den ähnlich ausgerichteten Film Live aus Peepli – Irgendwo in Indien. Vielleicht ist es diesem Mangel Originalität geschuldet, dass die Dramaturgie die Geschichte nicht ganz zu tragen vermag. Zwar wird der Handlung durch eine angedeutete Kapitelaufteilung Struktur verliehen, doch entsteht insgesamt zu wenig Spannung und Emotion, um den Zuschauer anhaltend an die Figuren auf der Leinwand zu binden. 

Xiaolu Guo kritisiert den Kapitalismus ebenso wie den Kommunismus, blinden Fortschrittsglauben ebenso wie den nostalgischen Blick zurück, ohne eine realistische Alternative anzubieten. Doch es ist genau diese Ambivalenz ihres Werks, die es letztendlich möglich macht, über die eigene Verortung innerhalb dieser verrückten Welt – ob nun in China, Indien oder Europa – nachzusinnen.

Pressespiegel bei film-zeit.de

Montag, 16. April 2012

American Pie - Das Klassentreffen


© Universal Pictures/ Regie:
Jon Hurwitz
, Hayden Schlossberg
Vieles an American Pie – Das Klassentreffen ist wie ein echtes Wiedersehen mit Schulkameraden: Wir freuen uns selbst über die unliebsamen Gesichter, erinnern uns an unterhaltsame und unangenehme Situationen und irgendwie ist das Ganze letztendlich auch ein bisschen peinlich. Ich habe American Pie – Wie ein heißer Apfelkuchen damals mit großer Begeisterung im Kino und auf VHS (!) gesehen und mir irgendwann aus nostalgischen Gründen gar die DVD zugelegt. Somit fühlte ich mich selbst ein wenig wie auf einem Klassentreffen als ich nun – 9 Jahre nach dem letzten Teil der Reihe – die bekannten Figuren wiedersehen konnte.

Wie schon in den ersten drei Teilen steht die Clique von Jim (Jason Biggs), Kevin (Thomas Ian Nicholas), Oz (Chris Klein), Finch (Eddie Kaye Thomas) und Stifler (Sean William Scott) im Mittelpunkt. Inzwischen haben sich die ehemals besten Freunde größtenteils aus den Augen verloren und nutzen das anstehende Klassentreffen, um in ihrer Heimatstadt endlich einmal wieder gemeinsam die Sau rauszulassen. Natürlich ist die Zeit an ihnen nicht spurlos vorbei gegangen. Statt des Verlusts der Jungfräulichkeit stehen nun Ehekrisen, Berufsfindung und das Unverständnis gegenüber der nachwachsenden Teenager-Generation im Vordergrund. Und wie immer kommt es insbesondere durch Stifler zu zahlreichen Verwicklungen und Katastrophen, die das Highschooltreffen vorübergehend gefährden. 

Das Beste an American Pie – Das Klassentreffen ist, dass es dem Team um die Regisseure Jon Hurwitz und Hayden Schlossberg gelungen ist, quasi den kompletten Cast aus dem ersten Teil zusammenzuführen. Endlich gibt es auch ein Wiedersehen mit liebgewonnen Randcharakteren wie dem Sherminator und den namenlosen Jungs, die einst den Begriff „MIGF“ in den Wortschatz einer ganzen Generation von Teenagern einführten. Die wahren Stars bleiben aber auch diesmal Jims Dad (Eugene Levy) und Stiflers Mom  (Jennifer Coolidge), ebenfalls Figuren, die durch den Beginn der Reihe eine Art Kultstatus erreicht haben. 

Trotz der bekannten Gesichter kann der vierte Teil leider nicht zum Witz des Originals aufschließen. Sicher zeichnete sich auch dieses nicht durch anspruchsvollen Humor aus, doch scheint es, als wäre die Schmerzgrenze in den letzten 13 Jahren noch ein wenig gesunken. Zuverlässig taucht die Unterhaltung unter die Gürtellinie ab und will uns mit nackter Haut, Körperausscheidungen und sexuellen Anspielungen zum Lachen bringen. Doch das gelingt in den seltensten Fällen. Vielleicht ist American Pie – Das Klassentreffen wirklich noch flacher als seine Vorgänger. Vielleicht bin ich auch einfach nur älter geworden. Wo immer auch die Ursache dafür zu suchen ist, fest steht, dass mir der aktuelle Film kaum mehr als ein Schmunzeln entlocken konnte. 

Das Konzept American Pie versucht mit der Zeit zu gehen. Durch Anspielungen auf zeitgenössische Phänomene wie Facebook oder das – inzwischen auch schon Jahre zurückliegende – Outing von Ricky Martin wird versucht, dem neuesten Apfelkuchen-Produkt eine gewisse Modernität zu verleihen. So richtig gelingt das aber nicht, wirken doch die genannten Elemente alle sehr gewollt und dienen zu offensichtlich nur dazu, ein längst aus der Mode gekommenes Produkt wieder an den Teenager zu bringen. Und da wären wir gleich beim nächsten Problem des Films: Wer soll sich das eigentlich ansehen? Die Hauptcharaktere sind alle in ihren 30ern und reden über die Schwierigkeit, das Sexleben auch nach der Geburt des ersten Kindes noch spannend zu gestalten. Kann der pubertäre Jugendliche von heute darüber lachen? Der 30 jährige Zuschauer hingegen, der die Figuren noch aus seiner Jugend kennt, schlägt sich auf Grund der platten Witze die Hand vor die Stirn und ist nichts als fassungslos in Anbetracht der Tatsache, dass er über so etwas einst hat lachen müssen. 

Trotz all dieser Kritik habe ich mich in den letzten zehn Minuten des Films mit American Pie – Das Klassentreffen ausgesöhnt. Denn wie gesagt, der Film ist wie ein echtes Wiedersehen mit alten Schulfreunden. Auch wenn es vielleicht peinlich ist, dass mich dieses Konzept vor 13 Jahren noch zu ausufernder Begeisterung verleitete, so konnte auch ich mich letztendlich - wie die Figuren auf der Leinwand - ein wenig der Nostalgie hingeben. Nach einem wenig unterhaltsamen und auch spannungsarmen Mittelteil findet American Pie – Das Klassentreffen ein rundes Ende, bei dem es uns gar ein wenig warm ums Herz wird. Dies trifft vermutlich allerdings nur für die Zuschauer zu, die die American Pie Clique noch aus ihren Anfängen kennt. Und so gilt für diesen Film dasselbe wie für jedes Klassentreffen: Als Außenstehender hat man hier einfach nichts verloren! 



Mittwoch, 11. April 2012

Chronicle - Wozu bist Du fähig?


© 20th Century Fox/ Regie: Josh Trank
Superhelden haben in den letzten Jahren ein echtes Comeback erlebt. Meist handelt es sich allerdings um durchtrainierte Schönlinge, die einem Comic-Universum entflogen sind. In Chronicle ist das ein bisschen anders, denn hier erlangen drei vollkommen normale Teenager überraschend übernatürliche Kräfte. 

Im Mittelpunkt der Geschichte steht der sozial isolierte Andrew (Dane DeHaan). Der Vater trinkt, die Mutter ist todkrank, die Mitschüler mobben ihn und auch sein Cousin Matt (Alex Russel) verhält sich eher distanziert. Doch Andrews Leben ändert sich, als er beschließt, seinen Alltag mit einer Kamera aufzunehmen. Neben Aggressionen ruft dieses neue Hobby auch Interesse bei seinem Umfeld hervor und so kommt es, dass Matt und dessen Kumpel Steve (Michael B. Jordan) den Nachwuchsfilmer in ein Geheimnis einweihen: Im Wald haben sie ein mysteriöses Loch gefunden, das sie nun erkunden und für die Nachwelt festhalten wollen. Das was sie entdecken sprengt ihre Vorstellungskraft. Plötzlich verfügen die drei Jungs über telekinetische Kräfte, die von Tag zu Tag stärker zu werden scheinen. Das gemeinsame Erlebnis schweißt sie zusammen und erstmals glaubt Andrew, so etwas wie echte Freunde zu haben. Doch wie schon Spidermans Onkel feststellte: Aus großer Kraft folgt große Verantwortung. Kann der labile Andrew wirklich mit seinen neuen Fähigkeiten umgehen oder wird er die Kontrolle verlieren und sich und seine Freunde in Gefahr bringen?

Chronicle ist eigentlich gar kein Superheldenfilm, sondern eine Mischung aus einem Coming of Age Drama und dem Psychogramm eines potentiellen Highschool-Amokläufers. Im Zentrum stehen nicht die Superkräfte, sondern Andrews Persönlichkeitsentwicklung. Hierbei bedienen sich Regisseur Josh Trank und Drehbuchautor Max Landis meiner Ansicht nach zu vieler Klischees. Die aggressive Vaterfigur, die das Selbstwertgefühl des eigenen Kindes zerstört, und die schwache Mutter, die beschützt werden muss – plakative Elemente, die Andrews Sinneswandel erklären und rechtfertigen sollen, unterm Strich aber wie ein Kapitel aus dem Lehrbuch für pädagogische Psychologie wirken. So können wir uns emotional trotz der lobenswerten Schauspielleistung von Hauptdarsteller Dane DeHaan nie ganz auf die Gefühlswelt von Andrew einlassen. 

Dramaturgisch legt Chronicle einen guten Start hin, kommt schnell zur Sache und fesselt unsere Aufmerksamkeit innerhalb kürzester Zeit. In Erwartung eines actionlastigeren Superheldenfilms jedoch muss irgendwann eine kurze Phase der Ernüchterung eintreten, in der wir erkennen, dass es hier eher dramatisch als explosiv zugeht. Immerhin entschädigt dann das fulminante Ende für die in der Mitte etwas langatmige Handlung. Im Großen und Ganzen macht Chronicle seine Sache gut und weiß das Publikum zu unterhalten. Da auf pathetische Dehnungen verzichtet wird, kann der Film mit 84 Minuten eine wahrlich perfekte Länge vorweisen.

Stilistisch ist da nicht viel Neues. Die Found Footage Ästhetik ist gerade „in“. Doch Chronicle treibt diesen Trend noch etwas weiter und legt eine erstaunliche Konsequenz an den Tag, wenn es darum geht, ausschließlich Bilder zu zeigen, die von verschiedenen Kameras aufgezeichnet werden. Nicht immer ist das überzeugend, manchmal ist die Integration der Geräte in den Handlungsablauf sehr erzwungen, doch gerade gen Ende kann Josh Trank uns mit Hilfe dieses Stilmittels auch ein wenig Ehrfurcht vor der Omnipräsenz wachsamer Kameralinsen einflößen. Durch Andrews Fähigkeit, die Kamera durch Telekinese fliegen zulassen, kann die Kameraführung über die gewohnten, wackligen Found Footage Bilder hinausgehen und wirkt stellenweise gar wie eine Steadicam. 

Chronicle erzählt eine etwas andere Superheldengeschichte, ist dabei aber leider nicht wirklich originell. Auch Spiderman & Co mussten sich auf der Leinwand schon mit ihrer dunklen Seite auseinandersetzen. Herausstechen tut der Film durch seine drei Hauptcharaktere, außergewöhnliche Underdogs, die uns mit ihrem tapsigen Umgang mit den Superkräften einige Lacher entlocken. Wenn wir von der missglückten Sozialstudie einmal absehen, lässt sich Chronicle insgesamt als durchaus gelungenes Unterhaltungskino bezeichnen. Nicht mehr und nicht weniger. 



Montag, 2. April 2012

Nathalie küsst

© Concorde/ Regie: David & Stéphane Foenkinos
Wenn Audrey Tautou auf der Leinwand ein französisches Café betritt, kann ich nicht umhin, an Die fabelhafte Welt der Amelie zu denken. Diese erste Szene von Nathalie küsst bleibt jedoch nicht die einzige, in der ich statt Nathalie die Figur der Amelie auf der Leinwand sehe. Zerbrechlich, aber doch voller Grazie, irgendwie geheimnisvoll und unnahbar, dann wieder kindlich verspielt oder gar verschmitzt – so präsentiert sich Audrey Tautou hier einmal mehr dem Kinopublikum.

Sie spielt Nathalie, die als junge Frau mit Francois (Pio Marmai) einen fast perfekten Mann ehelicht. Märchenhaft wirkt diese Liebe, ein wenig zu perfekt, um von Bestand zu sein. Und so überrascht es uns als Zuschauer nicht wirklich, als die Verbindung der beiden durch einen Unfall ein jähes Ende findet. In tiefer Trauer stürzt sich Nathalie in die Arbeit und steigt beruflich auf. Doch glücklich ist sie nicht. Vielmehr scheint das wahre Leben an ihr vorbeizugehen. Das ändert sich erst als sie aus einem unbewussten Impuls heraus einen ihrer Kollegen küsst. Spontan, ohne Vorankündigung und für Markus (Francois Damiens) ebenso überraschend wie für uns. Auch ihr berufliches wie soziales Umfeld kann die wunderschöne Nathalie und den optisch nicht besonders ansprechenden Markus nur schwerlich zusammenbringen. Nathalie selbst weiß nicht wie ihr geschieht. Warum hat sie das getan? Fühlt sie sich wirklich zu Markus hingezogen? Ist sie bereit für eine neue Liebe? 

Basierend auf seinem gleichnamigen Roman erzählt David Foenkinos hier gemeinsam mit seinem Bruder Stéphane die Geschichte einer ganz besonderen Liebe. Mit dem Set-Design und den Kostümen haben sich die beiden besonders große Mühe geben. Insbesondere die Büroräume, in denen ein großer Teil der Handlung spielt, transportieren mit ihren Holztäfelungen und ihrem etwas antiquierten Flair eine besondere Stimmung: warm und doch unpersönlich. Hierin spiegelt sich auch die Verfassung der Hauptfigur wider, die auf der einen Seite als sehr empfindsam, gleichzeitig aber als in sich gekehrt und distanziert inszeniert wird. 

Die Figur des Markus ist der Träger des humoristischen Anteils des Konzepts. Er wirkt tölpelhaft und unbedarft, aber nicht peinlich oder verschroben. Stattdessen strahlt er von Beginn an eine Herzlichkeit aus, die die meisten Menschen in seinem Umfeld nicht wahrzunehmen scheinen. Francois Damiens gelingt es, diese vielschichtige Persönlichkeit glaubhaft darzustellen und uns mit seiner Mimik und Gestik immer wieder zum Lachen zu bringen. Audrey Tautou bleibt als Nathalie jedoch schwer zu greifen. Den Großteil des Films ist sie auf Grund ihres Verlusts so verschlossen, dass es auch dem Zuschauer schwer fällt, zu ihr eine Verbindung aufzubauen. So dauert es eine Weile, bis wir an ihrer emotionalen Welt teilhaben können. Dabei ist es besonders interessant, dass die märchenhafte Liebe zu Beginn des Films weniger zu berühren weiß, als die zaghafte und verworrene Beziehung, die sich zwischen Nathalie und Markus entwickelt. 

Das Hauptproblem des Films ist die Dramaturgie. Lange Zeit ist unklar, worauf die Geschichte hinausläuft und was ihr Thema ist. Das liegt vor allem daran, dass Markus erst sehr spät in die Geschichte eingeführt wird. Zwar gelingt hierdurch ein großer Überraschungseffekt,  der jedoch auf Kosten des Spannungsbogens geht. Mit der aufkeimenden Büro-Lovestory zieht das Tempo des Films ein wenig an, verliert gegen Ende jedoch erneut an Zugkraft. Nichtsdestotrotz finden die Foenkinos-Brüder einen sehr gelungenen Abschluss des Films, der die verschiedenen Elemente des Films zu einem großen Ganzen zu verbinden weiß. 

Ein weiterer Wermutstropfen ist schließlich auch die idealisierende Inszenierung von Audrey Tautou. Der Film will uns weiß machen, dass die Verbindung zwischen einer derart atemberaubenden Frau und einem hässlichen Entlein wie Markus auf ihre Mitmenschen befremdlich und absurd wirken muss. Dabei ist Tautou hier wie gewohnt weniger eine Diva als eine zarte Kindfrau, die gehegt, gepflegt und beschützt werden muss. So richtig kann zumindest ich daher den angeblichen Gegensatz zwischen den Figuren nicht nachvollziehen. 

Nathalie küsst ist sicher ein Projekt, in dem viel Herzblut und übrigens auch ein wirklich schöner Soundtrack steckt. Doch das Endprodukt kann meiner Meinung nach dem Anspruch seiner Schöpfer nicht gerecht werden und bleibt eine zwar charmante, letztendlich aber spannungsarme französische Tragikomödie mit einer Audrey Tautou, wie wir sie schon gefühlte hundertmal gesehen haben. 


Montag, 26. März 2012

My Week With Marilyn


© Ascot Elite/ Regie: Simon Curtis
Mit dem Oscar hat es nicht geklappt, doch Michelle Williams zeigt in My Week With Marilyn ohne Frage eine einnehmende Performance. Dabei steht sie gar nicht im Mittelpunkt der Geschichte, die sich im Grunde um den jungen Regieassistenten Colin Clark (Eddie Redmayne) dreht, der am Filmset von „Der Prinz und die Tänzerin“ die Ikone Marilyn Monroe kennenlernt und trotz Warnungen all seiner Kollegen, ihrem Charme verfällt. Marilyn selbst ist in diesem Film nicht die überlegene Diva, sondern ein von Unsicherheit und Einsamkeit geplagtes Mädchen, das in dem jungen Colin vorübergehend einen tröstenden Begleiter findet. 

Michelle Williams gelingt es, ein Kaleidoskop der Gefühle auf die Leinwand zu bannen. Dabei ist es gar nicht so sehr die Vielzahl an verschiedenen, manchmal gar widersprüchlichen Emotionen, sondern die Komplexität der gezeigten Gefühlslagen, die begeistert. In ihrem Gesicht spiegelt sich nicht nur der Spaß am Rampenlicht, sondern gleichzeitig auch Stress, Angst und Einsamkeit. Michelle Williams spielt nicht einfach nur Marilyn Monroe. Sie spielt Norma Jeane Mortenson wie sie Marilyn Monroe spielt. Wäre alles an My Week With Marylin so überzeugend wie die Leistung von Michelle Williams, wäre ein filmisches Meisterwerk geboren. Doch so ist es leider nicht.

Obwohl die Figur der Marilyn Monroe insgesamt gelungen in Szene gesetzt wird – Musik, Close-Ups, Zeitlupen und Standbilder inszenieren sie gekonnt als Ikone ihrer Zeit – verschenkt die Dramaturgie an zu vielen Stellen die Chance, diesem Konzept ausreichend Spannung zu verleihen. So ist es in meinen Augen ein großer Fehler, Marilyn gleich zu Beginn des Films zu zeigen, statt den Zuschauer mit den Protagonisten ihrem Auftritt entgegenfiebern zu lassen. Auch der Rest der Story ist spannungsarm und erinnert in seiner Bandbreite eher an ein Fernsehspiel als an einen Kinofilm. 

Colin Clark ist als Hauptfigur gut gewählt. Im Grunde handelt es sich um eine Coming of Age Story, in der ein junger Mann sich selbst auf beruflicher und privater Ebene findet. Durch seine Jugendlichkeit und die damit verbundenen Sehnsüchte und Unsicherheiten, bildet er eine gute Identifikationsfläche für den Zuschauer. Während Colins Geschichte den Zuschauer überzeugen kann, ist Marilyn Monroes Biographie mit Melodramatik und Pathos überladen. Auf der einen Seite wird sie trotz dargestellter Schwachstellen als geradezu gottgleiche Ikone erschaffen. Gleichzeitig wird es beim Blick in ihre Kindheit schnell melodramatisch. Wenn Regisseur Simon Curtis sie mit einem Puppenhaus spielen lässt, um ihre Sehnsucht nach Familie und Heimat zu demonstrieren, schießt er eindeutig über das Ziel hinaus. 

Die Marilyn Monroe, die wir in diesem Film zu sehen bekommen, überrascht uns durch ihre Verletzlichkeit. Insbesondere auf dem Filmset wirkt ihre Darstellung irritierend. Ist sie wirklich so unsicher oder spielt sie das kleine Mädchen, um Aufmerksamkeit und eine Sonderstellung zu erreichen? Es ist nur Michelle Williams‘ verlässlicher Schauspielleistung zu verdanken, dass es dem Film in diesen Sequenzen gelingt, Marilyn Monroe trotz dieses ungewohnten Verhaltens Glaubwürdigkeit zu verleihen. Der Zuschauer wird somit in dieselbe Position versetzt wie die Filmcrew auf der Leinwand. Sowohl on-screen Regisseur Sir Laurence Olivier (Kenneth Branagh) als auch das Publikum im Kinosaal sind zugleich genervt, verzaubert und irritiert durch das exzentrische Verhalten der Filmdiva. 
 
Aber nicht nur Michelle Williams, auch der restliche Cast kann überzeugen. Insbesondere Judy Dench begeistert einmal mehr mit ihrem Charisma. Emma Watson ist zwar im 50er Jahre Kostüm nett anzusehen, doch ihre Rolle erlaubt es ihr nicht, sich vom Harry Potter Image zu befreien und als ernstzunehmende Schauspielerin zu etablieren. Eddie Redmaynes überzeugende Leistung droht neben der starken Präsenz der weiblichen Hauptfigur unterzugehen, soll aber hier nicht unerwähnt bleiben. 

My Week With Marilyn kann insgesamt leider nicht mit seiner Hauptdarstellerin Schritt halten. So bleibt Michelle Williams in meinen Augen leider auch der einzige Grund, sich diesen Film anzusehen.