Mittwoch, 7. März 2012

The Grey


© Universum Film/ Regie: Joe Carnahan
Zu diesem Survival-Thriller mit Schauspiellegende Liam Neeson in der Hauptrolle fallen mir lauter vollkommen unpassende Phrasen ein. „Männer allein im Wald“ ist einer davon. Im Grunde ist das dann aber doch zutreffend: Gemeinsam mit seinen Kollegen von der Ölraffinerie im entlegenen Norden Alaskas stürzt Liam Neeson alias John Ottway mit dem Flugzeug ab. Die Männer, bis auf Ottway hauptsächlich Ex-Knackis und vergleichbar harte Kerle, finden sich in einer lebensfeindlichen Schneewüste wider. Viel schlimmer aber als Kälte und Nahrungsknappheit, ist das Wolfsrudel, das sich durch die Anwesenheit der Menschen bedrängt fühlt und zum Angriff übergeht. John Ottway, seines Zeichens Wildnisexperte und Scharfschütze, wird schnell selbst zum Leitwolf der Gruppe und führt sein Rudel in bewaldetes Gebiet, um Schutz vor den vierbeinigen Gegnern zu finden.

Liam Neeson ist Dreh und Angelpunkt von The Grey. Nicht nur, dass er mit Abstand das bekannteste Gesicht des gesamten Casts vorweisen kann, seine Figur steht auch im Zentrum der Story. Dementsprechend komplex ist sie gestaltet. John Ottway wird nicht nur als mutiger Leithammel mit einem fast verbissenen Überlebenswillen charakterisiert, sondern auch als emotional gebeutelter Mann, hinter dessen harter Schale sich ein verletzlicher Kern verbirgt. Die restlichen Figuren bekommen ein wenig Tiefe und Menschlichkeit verliehen, wenn ein jeder davon zu sprechen beginnt, wer daheim nun vergeblich auf ihn wartet. Regisseur und Drehbuchautor Joe Carnahan wirft hier nicht alle in einen Topf, sondern erschafft individuelle, wenn auch leicht stereotypisierte Charaktere, die er seiner Hauptfigur zur Seite stellt. Der Macho-Haudrauf, dessen Unfähigkeit, die eigene Angst einzugestehen, die Sicherheit der Gruppe gefährdet, ist genauso Teil der Crew wie der Tiefsinnige, der auf Grund der Lage beginnt, sich Fragen über die Existenz Gottes zu stellen und seine verstorbenen Kollegen mit einem Gebet zur Ruhe bettet. 

Obwohl die gesamte, fast zwei Stunden lange Geschichte nur daraus besteht, dass sich eine Gruppe eingemummter Figuren durch Eis, Schnee und Wälder schlägt, wird The Grey an keiner Stelle langweilig. Die Omnipräsenz der Wölfe, die oft nur durch Geräusche oder glühende Augen angedeutet wird, versetzt uns als Zuschauer ebenso in permanente Anspannung wie die Menschen auf der Leinwand. Um die Tiere glaubwürdig zu inszenieren, wurden sowohl echte Tiere, als auch Modelle und CGI verwendet. Im Großen und Ganzen gelingt es Carnahan damit, uns die Illusion eines echten Wolfsangriffs zu verkaufen, an einigen Stellen aber fühle ich mich dann doch an Gmork aus Die unendliche Geschichte erinnert, der mich schon als kleines Kind Mitte der 80er auf Grund seiner offensichtlichen Künstlichkeit die Augenbrauen hochziehen ließ. Diese kurzen Momente der Irritation in Anbetracht der Wölfe zerbrechen vielleicht für eine Sekunde die Illusion, der Spannung des Films jedoch kann dieses sehr kleine Mängel nichts anhaben.

The Grey macht in meinen Augen nur einen nennenswerten Fehler. John Ottway ist wirklich der Inbegriff des Helden, der neben Kraft und Ausdauer auch Verantwortungsgefühl, Empathie und Leitungskompetenz an den Tag legt. Zum klassischen Helden, z.B. im Western, gehört aber auch eine Wortkargheit, die wir oft als genuin männlich empfinden. Dass Frauen immer quatschen während Männer schweigen, ist zwar ein Klischee, aber eines, das gerne zur Konstruktion von Figuren in Genre-Filmen verwendet wird. Mir scheint, die Männer in The Grey hätte besser daran getan, diesem Klischee treu zu bleiben, denn immer wenn sie sich miteinander austauschen oder John Ottways Stimme als Voice Over ertönt, droht der Film mit der sonst knallharten Atmosphäre in einen gefühlsduseligen Pathos abzugleiten, der nicht so ganz zum Rest des Konzepts passen will.

Davon aber abgesehen ist The Grey ein spannendes Kinoerlebnis, dessen Schneelandschaften auf der großen Leinwand eine beeindruckende Wirkung erzielen. Damit will ich sagen, dass dies ein Film ist, den es sich im Kino anzusehen lohnt, statt auf eine DVD zu warten. Starke Nerven – wenn auch nicht ganz so starke wie die von John Ottway – sollte man aber mitbringen! 



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