Mittwoch, 7. März 2012

Türkisch für Anfänger


© Constantin Film/ Regie: Bora Dagtekin
Nach der Pressevorführung zu Türkisch für Anfänger sitze ich in der Berliner U-Bahn und beobachte eine türkische Familie. Insbesondere der jüngste Spross erwidert mein Interesse, zeigt unentwegt auf mich und redet wie ein Wasserfall in einer für mich vollkommen unverständlichen Sprache. Die Kopftuch tragende Mutter schaut mich besorgt an, ich beruhige sie mit einem Lächeln, dass mir die Aufmerksamkeit des Kleinen nicht unangenehm sei. Offenbar beherrscht sie kein Wort Deutsch, denn während wir noch zehn Minuten gemeinsame Fahrt teilen, lächelt sie mich zwar wiederholt an, sagt aber kein Wort. Das ist das wahrhaftige Türkisch für Anfänger. 

Ich habe die TV-Serie auf der dieser Film basiert, niemals gesehen. Somit repräsentiere ich den Zuschauer, für den Türkisch für Anfänger kein Wiedersehen mit liebgewonnenen Charakteren, sondern ein Kinofilm ist, der für sich alleine stehen muss. Da sich Regisseur und Drehbuchautor Bora Dagtekin dafür entschieden hat, die Geschichte noch einmal ganz neu aufzurollen, zu „rebooten“ wie man heutzutage sagt, ist kein Vorwissen über die Figuren von Nöten, um der Geschichte zu folgen. Lena (Josefine Preuß) und ihre Mutter Doris (Anna Stieblich) unternehmen eine gemeinsame Reise nach Thailand. Schon auf dem Weg zum Flughafen begegnen sie dem türkischen Familienvater Metin (Adnan Maral), seinem Sohn Cem (Elyas M’Barek) und der Tochter Yagmur (Pegah Ferydoni). Das Aufeinandertreffen der beiden Familien ist nicht von Sympathie geprägt und so ist es insbesondere für Lena ein Alptraum, dass sie nach dem Absturz des gemeinsamen Fliegers ausgerechnet mit Cem und Yagmur auf einer einsamen Insel landet. Während sich Doris und Metin nach ihrer Rettung in einem Hotel näher kommen, müssen ihre Kinder gemeinsam mit dem Griechen Costa (Arnel Taci) zahlreiche Abenteuer überstehen, zu denen auch ein Aufeinandertreffen mit einheimischen Kannibalen gehört. 

Bora Dagtekin hat die Figuren schon während ihrer TV-Karriere als Autor begleitet und seine Vertrautheit mit ihren Eigenheiten ist spürbar. Auch wenn Türkisch für Anfänger im Grunde eine leichtfüßige, zuweilen gar platte Slapstick-Komödie ist, überzeugen die Charaktere auf ganzer Linie. Insbesondere Doris, die sich mit allen ihr zur Verfügung stehenden Mitteln gegen das Älterwerden sträubt und gerne mit ihrer Tochter auf Lady Gaga Konzerte geht, hat trotz all der Übertreibungen einen realistischen Kern, der sie für den Zuschauer sympathisch macht. Und so verhält es sich mit dem gesamten Ensemble, auch wenn die exzentrisch dargestellte Lena definitiv das Potential zur Nervensäge hat. Hier wird ganz klar mit Stereotypen gearbeitet, doch zumindest geschieht das so gekonnt, dass wir uns als Zuschauer dabei amüsieren und nicht gelangweilt mit den Augen rollen. Allein, dass Elyas M’Barek nach What a Man und Offroad nun im Grunde schon wieder dieselbe Rolle spielt, ist etwas eintönig. 

Ich habe mir aber nach dem Film die Frage gestellt, ob es hier wirklich eine Rolle spielt, dass es sich um eine türkische Familie handelt, oder ob ein Großteil der Spannungen und Konflikte nicht einfach nur der Tatsache entspringen, dass hier zwei unterschiedliche Familienmodelle aufeinandertreffen. Mich persönlich, die ich ja selbst im Integrationsbereich tätig bin, überzeugt diese angebliche Multi-Kulti-Darstellung nicht. Dagtekin hat nach eigener Aussage bewusst eine stark komödiantische Herangehensweise an das Integrationsthema gewählt, um einmal mit Humor zu betrachten, was sonst nur Stoff für Melodramen liefere. Das Lachen jedoch erschafft in meinen Augen eine große Distanz zwischen uns und den Protagonisten, so dass das Thema Integration nicht mit Humor beleuchtet wird, sondern vollkommen in den Hintergrund tritt. 

Doch diese kritische Herangehensweise ist definitiv die Falsche für einen Film wie Türkisch für Anfänger, der sein Publikum in erster Linie unterhalten will. Das Wälzen gesellschaftlicher Probleme oder die Glaubwürdigkeit der Ereignisse spielen innerhalb dieses Konzeptes eine untergeordnete Rolle. Und das ist in meinen Augen auch vollkommen in Ordnung. Letzten Endes ist Komik natürlich Geschmackssache und es gehört eine gewisse Offenheit für vulgäre und politisch unkorrekte Anspielungen dazu, um bei Türkisch für Anfänger herzhaft lachen zu können. Der aufmerksame Zuschauer wird aber hinter all den platten Witzeleien auch die eine oder andere kritische Spitze entdecken, z.B. meine absolute Lieblingsformulierung „drei Migranten mit einem deutschen Pass“. 

Für Fans der Serie ist die Kinoversion, die mit dem Cinemascope-Format und dem vor Ort Dreh in Thailand durchaus cineastisch daherkommt, sicher ein Fest. Für Zuschauer wie mich, die mit dem Film nicht mehr verbinden als maximal die eigene Lebensrealität im Berliner Wedding, ist Türkisch für Anfänger eine unterhaltsame, aber recht durchschnittliche Komödie. 




Übrigens: Gemeinsam mit MyVideo ruft Constantin Film zu einem Rap-Kontext auf, bei dem es darum geht, sich eine neue Strophe zu Cems angeblichem Nummer 1 Hit "Nutten am Pool" einfallen zu lassen. Das dazugehörige Musikstück und weitere Infos findet ihr hier.



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