Mittwoch, 13. Februar 2013

Prince Avalanche


© Scott Gardner

Eigentlich wollte ich hier meiner ungebremsten Begeisterung für Prince Avalanche Ausdruck verleihen. Aber dann habe ich entdeckt, dass der US-amerikanische Wettbewerbsbeitrag von David Gordon Green auf einem isländischen Film namens Either Way basiert, der 2011 auf mehreren europäischen Festivals Preise abgeräumt hat. Nun kann ich nicht beurteilen, inwiefern die amerikanische Version die Geschichte neuinterpretiert oder ob es sich gar nur um eine Kopie der Vorlage handelt. Diese Unsicherheit schmälert ein wenig meine Begeisterung. Aber ob nun originell oder einfach nur gut kopiert, Prince Avalanche bietet eine willkommene Abwechslung in diesem deprimierenden Wettbewerb. David Gordon Green bringt uns zum Lachen, ohne dass er eine triviale Geschichte erzählen würde. Vielmehr transportiert sein Film diesen leichten, aber nicht flachen Humor, der aus der Absurdität des wahren Lebens entsteht und in vielen amerikanischen Independentfilmen zu finden ist. Die gelungene Mischung aus Humor und Anspruch findet man außerdem noch häufig im skandinavischen Kino, weshalb es mich nicht überrascht, dass das Konzept zu Prince Avalanche aus Island stammt. Nur wir Deutschen können das irgendwie nicht reproduzieren. Aber das ist ein anderes Thema.

Das Überraschendste an Prince Avalanche ist Paul Rudd in einer vergleichsweise ernsten Rolle. Als Alvin malt er Fahrbahnmarkierungen mitten in der texanischen Wildnis. Die Einsamkeit der durch einen Brand zerstörten Wälder gefallen ihm, weshalb ihn die Anwesenheit des Bruders seiner Freundin zu Beginn auf die Nerven geht. Lance (Emile Hirsch) ist ein einfaches Gemüt, besitzt keinerlei Outdoor-Fertigkeiten und jammert stetig über den Sexentzug, den sein neuer Job bei Alvin mit sich bringt. Doch eine unerwartete Entwicklung lässt die beiden Männer plötzlich zusammenrücken. Prince Avalanche ist ein bisschen wie ein Western: Ein reifer Mann, der das Leben in der Wildnis in und auswendig kennt, trifft auf ein junges, unruhiges Gegenüber, dem er nicht nur das Überleben jenseits der Zivilisation, sondern auch (männliche) Lebensweisheiten beibringt. Wie sich jedoch herausstellt, kann der zurückhaltende und untertemperierte Alvin vom vergnügungssüchtigen Lance durchaus ebenfalls etwas lernen.

Die Geschichte von Prince Avalanche entwickelt sich komplett aus den ausgezeichnet konstruierten Hauptfiguren. Das Setting des ausgebrannten Waldes ist die Bühne für ihre Auseinandersetzungen mit sich selbst und miteinander. Das Auftreten einer mysteriösen Frau bildet ein magisches Moment, das weder die Protagonisten noch die Zuschauer einordnen können. Und doch ist das Bild der alten Dame, die in „ihrer eigenen Asche wühlt" sehr stark. Für mich spielt der Waldbrand, der auch den Anfang des Films bildet, nicht nur die Rolle einer Kulisse, sondern hat auch eine inhaltliche Bedeutung. David Gordon Green zeigt ein ausgebranntes Amerika, ein Amerika in Asche, Kinder die im Schutt spielen. Das Amerika der einfachen und benachteiligten Menschen, ist im Grunde viel größer als das der Metropolen und idyllischen Vorstädte, taucht im Mainstream-Film aber viel zu selten auf. Es ist wohl ein wenig dem Erfolg von Beasts of the Southern Wild zu verdanken, dass sich dies zu ändern beginnt. Vielleicht ist Prince Avalanche aber auch ein Ausdruck von Zukunftsangst und Unsicherheit. Der romantisierte Rückzug in die Wildnis, weg von der Zivilisation, würde für mich auch zu dieser Interpretation passen.

Mir hat der Film außerordentlich gut gefallen. Der Humor, die Charaktere, die latente Absurdität und die tollen Bildkompositionen haben es mir angetan. Prince Avalanche ist sicher kein Bären-Kandidat, dafür wirklich mal eine Empfehlung wert. 


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